Inkontinenz

Tipps und Hilfe für pflegende Angehörige

Inkontinenz ist kein Thema über das man gerne spricht. Gerade in der älteren Generation ist es durchaus noch ein Tabuthema, was den Umgang im häuslichen Umfeld nicht gerade einfach gestaltet. Häufig sind Themen wie Abhängigkeit, Intimitätsverlust und Grenzüberschreitung Probleme, die eine sensible Herangehensweise auf beiden Seiten notwendig machen. Wir zeigen, worauf im Umgang mit Inkontinenz besonders geachtet werden sollte, wie man entstehende Probleme versöhnlich lösen kann und geben Tipps und Tricks mit auf dem Weg.

Inhaltsverzeichnis

  • Grundkenntnisse zum Thema Inkontinenz
    • Ursachen
    • Symptome
    • Formen
    • Behandlung
    • Folgen und Komplikationen
  • Typische Pflegeprobleme bei einer Inkontinenz
    • Eingriff in die Imtimsphäre
    • Einfluss von Ernährung, Trinkverhalten und Bewegung
    • Tipps und Tricks, die den Gang zum WC erleichtern
    • Versorgung mit Inkontinenzmaterial

Grundkenntnisse zum Thema Inkontinenz

Ursachen von Inkontinenz

Die Inkontinenz bezieht sich auf die beiden Ausscheidungsfunktionen Urin und Stuhl. Sie kann isoliert nur eine der beiden Funktionen betreffen oder in Kombination auftreten. Oft hat sie ihre Ursache in einer Beckenbodenschwäche und betrifft deshalb im Verhältnis gesehen Frauen häufiger als Männer. Doch auch andere Faktoren können bei der Entstehung von Inkontinenz eine Rolle spielen:

  • Belastung des Beckenbodens (Schwangerschaft, Adipositas)
  • Kognitive Einschränkungen (Demenz, Morbus Parkinson)
  • Körperliche Einschränkungen (Gangunsicherheiten, Schwäche)
  • Medikamentenwirkung und –nebenwirkung (zum Beispiel Diuretika, Antidepressiva, Opiate)
  • Neigung zu Verdauungsproblemen (Verstopfung, Durchfall)
  • Neigung zu chronischen Entzündungen (Harnblase, Harnwege, Darm)
  • Operationen an inneren Organen in der Vergangenheit
  • Veränderungen im Hormonhaushalt (vor allem die Geschlechtshormone betreffend)
  • Umgebungsfaktoren (schlechte Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Toilette, Stolperfallen, unpraktische Kleidung)

Symptome

Die Inkontinenz kann, je nach zugrundeliegender Ursache, schleichend oder auch plötzlich auftreten und äußert sich im charakteristischen Symptom des unwillkürlichen Harn- und/ oder Stuhlabgangs. Häufig handelt es sich am Beginn der Erkrankungen um Situationen die einen erhöhten Druck im Bauchinneren verursachen, zum Beispiel beim Husten und Niesen oder bei körperlicher Anstrengung. Es können sich auch noch eine Reihe weiterer Symptome anschließen, die im Folgenden genannt sind:

  • Verlust der Fähigkeit Urin- und/ oder Stuhlabgang bis zum Erreichen einer Toilette anzuhalten
  • Ständiges Harntröpfeln
  • Brennen, Schmerzen bei der Ausscheidung
  • Erhöhter pressdruck notwendig, um Ausscheidungsprozess in Gang zu setzen
  • Gefühl, Harnblase und/ oder Enddarm nicht vollständig entleeren zu können

Formen der Inkontinenz

Die Harninkontinenz wird in der Medizin nach ihren verursachenden Faktoren unterschieden. So spricht man beispielsweise von einer funktionellen Inkontinenz, wenn der Betroffene zwar anatomisch noch in der Lage ist Urin und Stuhl willkürlich zu kontrollieren, aber aufgrund kognitiver oder körperlicher Einschränkungen die Toilette nicht mehr rechtzeitig erreicht werden kann. Die weiteren Formen der Harninkontinenz beziehen sich stattdessen auf eine Veränderung der Speicher- und Entleerungsfunktion. Hier spricht unter anderem von Stressinkontinenz, Dranginkontinenz, Restharninkontinenz.

Die Stuhlinkontinenz hingegen kategorisiert man nach drei Schweregraden:

Grad 1: gelegentliche Verschmutzung der Wäsche oder unkontrollierter Gasabgang

Grad 2: häufige Verschmutzung der Wäsche oder unkontrollierter Gasabgang, gelegentlicher Abgang von flüssigem Stuhl

Grad 3: vollständig unkontrollierter Abgang von Stuhl und Gase

Behandlung von Inkontinenz

Es stehen im Feld der Inkontinenz verschiedene Behandlungsansätze zur Verfügung, die je nach zugrundeliegender Ursache den unwillkürlichen Abgang der Ausscheidungen in vielen Fällen sogar komplett therapieren können.

Medikamentös: Hier kommen unter anderem hormonhaltige, krampflösende, entzündungshemmende und auch antidepressiv wirkende Präparate infrage.

Operativ: Einige Operationsverfahren können den Beckenboden straffen und heben und dadurch eine Harninkontinenz erfolgversprechend behandeln.

Weitere Ansätze: Elektrostimulation, Beckenbodentraining, Darm- und Blasentraining

Trotz aller ausgereiften therapeutischen Ansätze sollten man aber immer auch Nutzen und Risiko abwägen. Denn Operationen bringen ein gewisses Risiko mit sich und auch jedes Medikament kann Nebenwirkungen und Wechselwirkungen auslösen. Besprechen Sie deshalb immer zusammen mit dem behandelnden Arzt und Ihrem Angehörigen, ob eine entsprechende Intervention sinnvoll ist und zum gewünschten Ziel führt. Mitunter kann es für alle Beteiligten auch der energieschonendere Weg sein, wenn man die Inkontinenz als gegeben hinnimmt und als Ziel das Wohlbefinden des zu pflegenden Betroffenen und die Vermeidung von Komplikationen und Folgeerkrankungen definiert.

Folgen und Komplikationen

Mit fortschreitender Erkrankung, aber auch infolge von pflegerischen Fehlern, können Komplikationen und Folgeerkrankungen entstehen:

  • Häufige Hautdefekte und Entzündungen im Intim- und Analbereich
  • Pilzinfektionen im Intim- und Analbereich
  • Harnwegs- und Blaseninfektionen
  • Analfissuren

Typische Pflegeprobleme beim Umgang mit inkontinenten Betroffenen

Den täglichen Eingriff in die Intimsphäre würdevoll gestalten

Es ist kein einfacher Schritt sich vor sich selbst und vor seinen Angehörigen einzugestehen, dass man nicht nur an einer Blasen- und/ oder Darmschwäche leidet, sondern obendrauf auch noch auf Hilfe aus dem Umfeld angewiesen ist. Im täglichen Umgang miteinander teilt man viele Gedanken, Sorgen und Emotionen miteinander. Aber trotzdem hat es doch nochmal eine ganz andere Bedeutung, wenn man sich plötzlich nackt und abhängig vor seinen Angehörigen zeigen muss. Diesen Schritt für sich anzuerkennen ist für viele – für beide Parteien – nicht einfach. Denn auch Sie als pflegende Angehörige müssen sich erst einmal an die Anforderung gewöhnen, dass sich die Abhängigkeitsverhältnisse nun sukzessive verändern. Ein Schritt in Richtung Annahme und Wertschätzung des einsetzenden Prozesses für beide Parteien ist es dabei, nicht von Abhängigkeit konnotiert mit negativen Assoziationen, wie Knechtschaft, Schutzlosigkeit und Ausgeliefert sein, zu sprechen, sondern stattdessen Aspekte wie Vertrauen, Intimschutz, Respekt und Wahrung eigener Grenzen einfließen zu lassen. Gerade deshalb kommt hier der Kommunikation ein besonders hoher Stellenwert zu gute. Es ist wichtig, dass beide Seiten die Möglichkeit haben ganz wertfrei über ihre individuellen Sorgen, Ängste und Nöte sprechen zu können. Aber das sollte in einem entsprechenden Rahmen geschehen, denn ständig am Abendbrottisch damit konfrontiert zu werden, dass Omi heute gar nicht so oft in die Hose gemacht hat wie sonst, entspricht nicht annähernd einer wertfreien und vertrauensvollen Kommunikation. Hier ist einfach ganz viel Fingerspitzengefühl gefragt. Die folgenden Tipps und Verhaltensregeln können helfen eben diese vertrauensvolle und respektvolle Basis anzubahnen und aufrechtzuerhalten:

  • Kommunikation: Machen Sie sich bewusst, dass es sich um einen erwachsenen Angehörigen mit eigenen Grenzen und Emotionen handelt. Vermeiden Sie deshalb unbedingt Baby-Sprache, aber auch Gassen-Jargon. Sprechen Sie nicht von Windeln, Pippi und Kacka; sondern verwenden Sie stattdessen Begriffe wie Schutzhose, Inkontinenzeinlage, Urin und Stuhlgang. Auch sollten Sie nicht im Beisein von weiteren Verwandten, bekannten und Freunden über dieses sensible Thema sprechen.
  • Wohnumfeld: Sorgen Sie dafür, dass Sie und ihr zu pflegender Angehöriger nicht ständig mit seiner gefühlten „Unzulänglichkeit“ konfrontiert wird. Finden Sie deshalb unverfängliche Umverpackungen für die Inkontinenzprodukte und bewahren Sie diese nicht unbedingt für Besuch einsichtig im Hausflur auf. Ebenso sollten Sie es unterlassen, durchnässte Wäsche zum Trocknen auf der Heizung oder auf dem Lieblingssessel zu deponieren. Außerdem sollte häufiges Lüften und gegebenenfalls die Verwendung von Raumsprays zum Ritual werden um ein frisches Wohnklima zu fördern.
  • Intimschutz: Sowohl Ihr zu pflegender Angehöriger als auch Sie selbst haben Anspruch auf die Wahrung der Intimsphäre. Ihnen selbst kann da die Verwendung von Einmalhandschuhen schon eine große Hilfe sein. Scheuen Sie sich nicht davor, diese aus Angst vor der Reaktion ihres Angehörigen zu benutzen. Häufig sind die Betroffenen selbst sogar dankbar dafür, denn auch für Sie bedeuten Handschuhe oft ein Stückweit positiv empfundene Distanz in einer sehr nahen Situation. Des Weiteren sollten Sie bei WC-Gängen immer die Tür schließen und Ihrem Angehörigen nicht zumuten, vor offener Tür seine Geschäfte zu verrichten. Die Intimpflege selbst sollten Sie zügig, aber nicht hektisch durchführen.

Der Einfluss von Ernährung, Trinkverhalten und Bewegung

Inkontinenz ist selbstredend ein leidvolles Symptom. Nichtsdestotrotz gibt es ein paar Verhaltensweisen, die bei kontinuierlicher Durchführung das Ausmaß der Inkontinenz positiv beeinflussen können.

  • Essen: Übergewicht und Verstopfungen sind maßgebliche Faktoren, die Inkontinenz auslösen und verstärken können, da sie den Beckenboden schwächen. Eine leichte Gewichtsabnahme kann gerade bei Frauen im Kampf gegen Belastungsinkontinenz sehr erfolgversprechend sein. Natürlich muss im Vorfeld einer Diätentscheidung immer geprüft werden, ob diese unter den aktuellen Rahmenbedingungen überhaupt ratsam ist. Im Zweifelsfall kann diese Entscheidung mit dem Hausarzt besprochen werden. Eine ballaststoffreiche Ernährung kann hier sogar zwei Fliegen mit einer klappe schlagen. Einerseits verlängert diese das Sättigungsgefühl und andererseits wirken Ballaststoffe einer Verstopfung des Darmes entgegen, die ja ebenfalls eine Inkontinenz begünstigen kann.
  • Trinken: Nicht selten versuchen Betroffene von Inkontinenz dem unkontrollierten Abgang ihrer Ausscheidungen vorzubeugen, indem sie weniger bis fast gar nichts mehr trinken. Dass sie damit aber eher kontraproduktiv handeln, ist vielen nicht bewusst. Eine zu geringe täglich aufgenommene Flüssigkeitsmenge fördert nämlich Harnwegsinfektionen, Nierenkrankheiten und auch Verstopfungen und erzielt damit genau den gegenteiligen Effekt. Außerdem kann eine chronisch zu niedrige Flüssigkeitsaufnahme auch alle anderen Organe des Körpers negativ beeinflussen. Erwachsene Menschen egal welchen Alters sollten daher täglich mindestens 1,5-2l Flüssigkeit zu sich nehmen, sofern der Hausarzt sich nicht anders dazu geäußert hat. So kann es zum Beispiel sein, dass Herz- oder Dialysepatienten weit weniger trinken dürfen, um die jeweiligen Organe nicht zu sehr zu belasten.
  • Bewegen: Bewegung ist in mehrerlei Hinsicht positiv für eine vorhandene Inkontinenz. Sie fördert beispielsweise die Balance und Geschicklichkeit, die im Alter nachlassen. sie schult aber auch die Fingerfertigkeit und Beweglichkeit der kleineren Gelenke, die zwingend erforderlich sind, um beim WC-Gang nicht vollständig abhängig zu werden, sondern sich beispielweise dennoch selbst von Kleidung zu befreien, Reißverschlüsse zu öffnen oder Toilettenpapier zu benutzen.

Tipps und Tricks, die den Gang zum WC erleichtern

Nicht selten wird eine Inkontinenz noch dadurch verstärkt, dass die Toilette nicht rechtzeitig gefunden wird oder der Weg dahin mit zu vielen Gefahren verbunden ist, sodass der Betroffene sich ängstigt, den Weg überhaupt auf sich zu nehmen. Auch können demente oder auch sehbehinderte Angehörige in einem unifarbenen Badezimmer oftmals das Toilettenbecken nicht mehr vom restlichen Mobiliar unterscheiden. Hier kann eine andersfarbige WC-Brille schon Abhilfe schaffen. Außerdem sollte der Weg zwischen den häufigsten Aufenthaltsorten und dem Badezimmer stolperfrei geräumt und gut beleuchtet sein. Ein Bild an der Badezimmertür kann eine gute Orientierungshilfe darstellen. Aufstehhilfen, WC-Sitzerhöhungen und Haltegriffe können den WC-Gang sehr erleichtern.

  • Kleidung: Um Verlegenheit zu vermeiden sollten die verwendeten Inkontinenzmaterialien und die genutzte Kleidung aufeinander abgestimmt werden. Außerdem kann bei der Kleidungswahl auch. Einfluss auf ein rasches und einfaches An- und Ausziehen genommen, indem beispielsweise Hosen mit Gummibund oder leichtgängigen Reißverschlüssen ausgewählt werden.
  • Hautpflege: Auch wenn man das Inkontinenzmaterial häufig wechselt, ist die Haut doch über einen längeren Zeitraum einem feuchten Milieu ausgesetzt und sollte deshalb besonders intensiv gepflegt werden. Ist ein häufigeres Waschen notwendig, sollten Sie am besten nur klares Wasser oder eine geeignete Intimwaschlotion verwenden. Diese Maßnahmen greifen das leicht saure Hautmilieu im Intimbereich am wenigsten an. Nach der Intimtoilette kann im Sinne eines pflegenden Hautschutzes eine Lotion aufgetragen werden. Hier sollten allerdings keine stark fetthaltigen Produkte (wie Melkfett, Vaseline) verwendet werden, da diese den Wärmeaustausch verhindern, zu Staunässe führen und die Poren verkleben können.

Versorgung mit Inkontinenzmaterial im häuslichen Umfeld

Da sich die Thematik Inkontinenz langsam vom Tabuthema entfernt, gehören Inkontinenzmaterialien mittlerweile nicht mehr nur zum Angebot von Apotheken und Sanitätshäusern, sondern haben nun auch ihren Weg in Drogerien geschafft. Das Produktrepertoire ist dabei sehr mannigfaltig und gut an individuelle Bedürfnisse angepasst. Man kann zwischen verschiedenen Systemen, Größen und Auffangmengen auswählen und sollte dadurch schnell das passende Produkt finden können. Natürlich sind auch der finanzielle Aspekt und der Produktverbrauch wesentliche Faktoren, die die Auswahl beeinflussen. Im Folgenden ein paar Tipps, wie Sie den Bedürfnissen Ihres zu pflegenden Angehörigen nachkommen können und trotzdem die Finanzen schonen können:

  • Erstattungsfähigkeit bei der Krankenkasse: Inkontinenzprodukte sind nach §33 SGB 5 vom Arzt verordnungsfähig. Das heißt, sobald bei Ihrem zu pflegenden Angehörigen eine Inkontinenz ärztlich diagnostiziert wurde, kann der Hausarzt Ihnen regelmäßig Hilfsmittelrezepte mit der Verordnung des entsprechenden Produkts in der notwendigen Stückzahl ausstellen. Dadurch können Sie jeden Monat einen erheblichen Betrag einsparen. Besprechen Sie das Vorgehen am besten mit Ihrem Hausarzt und erwähnen Sie, dass ein Hilfsmittelrezept nicht zu Ungunsten seines Budgets geht. Holen Sie sich hierzu auch Informationen von Ihrer Krankenkasse, da diese häufig Verträge mit bestimmten Leistungsversorgern abgeschlossen haben.
  • Wechselintervall: Inkontinenzmaterial hat nicht nur die Aufgabe, Ausscheidungen

aufzufangen, sondern es soll auch vor weiteren Komplikationen, wie Harnwegsinfekte, Hautdefekte und Entzündungen des Intim- und Analbereiches, schützen. Hierzu ist es ratsam, nicht im Sinne eines vermeintlichen Sparens und Materialbewusstseins zusätzliche Vorlagen einzulegen. Verwenden Sie das von Ihnen gewählte Produkt nur so, wie es der Hersteller vorgibt, denn nur dann kann es alle oben genannten Aufgaben erfüllen. Um den Wechselintervall bedürfnisorientiert gestalten zu können, haben die meisten Hersteller einen sogenannten Nässeindikator in ihren Produkten verarbeitet, der Ihnen verlässlich anzeigt, wann ein Wechsel notwendig ist.