Vereinbarkeit Beruf und Pflege

Wenn eine Pflegesituation auftritt, sind es in der Regel die Angehörigen, die die Versorgung zu Hause übernehmen. Der größte Teil ist dabei berufstätig. Die daraus resultierende Doppelbelastung ist für die Betroffenen oft eine große Herausforderung – die Vereinbarkeit Beruf und Pflege. Auch der Arbeitgeber muss zum Teil mit Auswirkungen (Arbeitsausfällen, mehr Krankheitstages, geringere Produktivität) rechnen. Gibt es hier gesetzliche Regelungen? Welche Zuschüsse erhalten Sie vom Staat? Welchen Einfluss haben Arbeitsbedingungen? Antworten auf diese wichtigen Fragen finden Sie hier:

Gesetzliche Regelungen

Grundsätzlich gibt es für Angehörige gesetzliche Ansprüche auf Pflegeunterstützungsgeld, Pflegezeit und Familienpflegezeit.

Was sind eigentlich Angehörige?

Angehörige sind Ehegatten, Lebenspartner*innen, Partner*innen einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft,Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der LebenspartnerGroßeltern, Eltern, Schwiegereltern, StiefelternKinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners und Schwiegerkinder und Enkelkinder.

Pflegezeitgesetz

Die Pflegezeit soll Arbeitnehmern gestatten, sich für eine begrenzte Zeitdauer ohne Entgeltfortzahlung von der Arbeit freistellen zu lassen oder in Teilzeit zu arbeiten, um pflegebedürftige Angehörige zu betreuen und zu versorgen, ohne dass dadurch das Arbeitsverhältnis gefährdet würde. Während der Pflegezeit besteht für die Betroffenen ein Sonderkündigungsschutz. Das Pflegezeitgesetz unterscheidet zwischen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung zur Pflege und Pflegezeit. Die kurzzeitige Freistellung kann für maximal zehn Tage in Anspruch genommen werden, um in einer akuten Pflegesituation Hilfe zu leisten. Hier bleibt der Sozialversicherungsschutz bestehen. Die volle oder teilweise Freistellung im Rahmen der Pflegezeit erfordert neben einigen anderen rechtlichen Voraussetzungen auch den Nachweis der Pflegebedürftigkeit des Angehörigen. Die unbezahlte Freistellung oder Teilzeitarbeit kann über einen Zeitraum von maximal sechs Monaten stattfinden und wird nur in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten gewährt. Für Beamte gilt das Pflegezeitgesetz nicht, für sie gibt es gesonderte gesetzliche Regelungen.

Familienpflegezeit

Arbeitnehmer sollen ihre Arbeitszeit über maximal zwei Jahre auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren können, wenn sie einen nahen Angehörigen pflegen. Zugleich soll es hierbei nicht zu einem kompletten Verdienstausfall kommen. Die Hälfte des Verdienstausfalles wird durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) über ein zinsloses Bundesdarlehen übernommen und nach Beendigung der Familienpflegezeit durch den Arbeitgeber an das BAFzA zurücküberwiesen. Für die Beantragung des Darlehens sind folgende Unterlagen vorzulegen (§ 12 FPfZG):

  1. Vereinbarung über die Familienpflegezeit,
  2. Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate,
  3. Nachweis über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen,
  4. Bescheinigung über eine Versicherung des Arbeitnehmers im Sinne des § 4 Familienpflegezeitgesetzes.

Der Arbeitnehmer arbeitet demnach den gleichen Zeitraum, den er vorher in der Pflegezeit ein höheres Gehalt bei reduzierter Arbeitszeit bezog, nach der Pflegephase bei reduziertem Gehalt weiter. Rechenbeispiel: Ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer reduziert seine wöchentliche Arbeitszeit für ein Kalenderjahr auf 50 Prozent, erhält jedoch während der Pflegephase 75 Prozent seines vorherigen Gehaltes. Nach der Pflegephase arbeitet er nun ein Kalenderjahr wieder 40 Stunden pro Woche, bezieht aber weiterhin 75 Prozent seines Gehaltes. Um das Risiko einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeit in der Rückzahlungsphase, in der der Arbeitnehmer wieder voll berufstätig ist, zu minimieren, muss jeder Beschäftigte, der die Familienpflegezeit in Anspruch nimmt, eine Versicherung abschließen. Die Versicherung endet mit dem letzten Tag der Lohnrückzahlungsphase der Familienpflegezeit.

Pflegeunterstützungsgeld

Nach § 44a Abs. 3 SGB XI können Beschäftigte für den Zeitraum der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung für insgesamt bis zu zehn Arbeitstage Pflegeunterstützungsgeld von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beziehen. Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 % des während der Freistellung ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts. Hat der Beschäftigte in den letzten 12 Monaten vor der Freistellung beitragspflichtige Einmalzahlungen in Sinne von § 23a SGB IV erhalten, so beträgt das Pflegeunterstützungsgeld 100 % des während der Freistellung ausgefallenen Nettoarbeitsentgeltes unabhängig davon, wie hoch die Einmalzahlungen waren. Das kalendertägliche Pflegeunterstützungsgeld darf 70 % der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung nicht übersteigen. Während des Bezugs des Pflegeunterstützungsgeldes ist bzw. bleibt der Versicherte kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversichert. Von dem Pflegeunterstützungsgeld werden die entsprechenden Beiträge einbehalten. Der Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld besteht nicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt fortzahlt oder wenn der Beschäftigte von seiner Krankenkasse Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V oder von seinem Unfallversicherungsträger Kinderverletztengeld nach § 45 Abs. 4 SGB VII beanspruchen kann. Das Pflegeunterstützungsgeld muss bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen unverzüglich beantragt werden.

Zuschüsse vom Staat

Der Staat übernimmt unter betsimmten Voraussetzungen die Beiträge zur Sozialversicherung. Dadurch sollen finanzielle Einbußen für pflegende Angehörige abgefedert werden.

Der Sozialversicherungsstatus kann sich bei allen Varianten der Pflegezeit ändern. Es hängt vom Gehalt ab. Bei mehr als 450 Euro im Monat, bleiben Sie pflichtversichert. Es zahlen also weiterhin der Arbeitgeber und Sie den jeweiligen anteil zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Verdienen Sie weniger als 450 Euro können Sie die kostenlose Familienversicherung Ihres Ehepartners nutzen, wenn dieser gesetzlich versichert ist. Wenn Sie nicht verheiratet sind, oder der Ehepartner privat versichert, müssen Sie sich „freiwillig“ pflichtversichern. In Deutschland gilt die Pflicht einer Kranken- und Pflegeversicherung. Die Einzahlung in die Rentenversicherung ist ebenfalls pflicht. Es besteht unter Umständen aber die Möglichkeit, dass die Beiträge teilweise oder komplett von der Pflegeversicherung des Angehörigen übernommen werden kann. Während der Pflegezeit sind Sie automatisch gesetzlich unfallversicht. Die Pflegeversicherung des Pflegebedüfrtigen meldet sich bei der Unfallkasse an und zahlt Ihre Beiträge für die Zeit der ehrenamtlichen Pflege.

Die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hängt von Ihrem Gehalt ab. Der Mindestbetrag von bundesweit 144,78 Euro für die Krankenversicherung wird monatlich fällig, wenn Sie nichts oder wenig verdienen. Der Beitrag zur Pflegeversicherung ist je nach Bundesland unterschiedlich. Genaue Informationen hierzu erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse. Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten Sie einen Zuschuss vom Staat. Wenn Sie an mindestens zwei Tagen pro Woche und im Durchschnitt mindestens 10 Stunden pro Stunde Ihren Angehörigen pflegen und dabei maximal 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sind, können Sie die Unterstützung bei der Pflegekasse beantragen. Ein Zuschuss in Höhe des Mindestbeitrages kann genehmigt werden.

Wer nicht pflichtversichert ist, kann sich freiwillig gegen eine drohende Arbeitslosigkeit versichern. Das ist möglich für alle Personen, die zwei Jahre vor der Pflege mindestens 12 Monate lang in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert waren oder staatliche Leistungen, wie z.B. Arbeitslosengeld, erhalten haben. Der Beitrag zur freiwilligen Absicherung liegt bei rund 8,93 Euro (West) und 7,98 Euro (Ost) pro Monat. Den Antrag zur freiwilligen Absicherung müssen Sie binnen drei Monate nach Beginn der Pflege stellen. Weiter Informationen erhalten Sie bei der Bundesagentur für Arbeit.

Eine Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung ist pflicht, auch wenn Sie wenig und nichts verdienen. Unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt jedoch die Pflegekasse des Angehörigen die Beiträge. Während der Pflegezeit erhalten Sie dann einen festen Rentenpunktesatz, der vom Pflegegrad abhängt. Weitere Informationen erhalten Sie bei Ihrer Pflegekasse. Die Voraussetzungen sind:

  • Sie pflegen einen Angehörigen an mindestens zwei Tagen pro Woche für mindestens 10 Stunden
  • Sie pflegen Ihren Angehörigen an mindestens 60 Tagen im jahr
  • Die Pflege finden Zuhause statt
  • Der Pflegebedürftige hat mindestens Pflegegrad 2
  • Sie sind maximal 30 Stunden pro Woche erwerbstätig
  • Sie wohnen dauerthaft in Deutschland, der EU oder der Schweiz

Die Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung können übrigens auch Privatversicherte erhalten. Es muss bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragt werden. Falls Sie also aufgrund der geringeren Stundenzahl in die Pflichtversicherung rutschen würden, können Sie sich für die Dauer der Pflegezeit von der Versicherungspflicht befreien lassen. Den Antrag hierfür müssen Sie binnen drei Monaten nach Beginn der Pflege stellen.

Arbeitsbedingungen

Der Beginn einer Pflegesituation kommt oft überraschend. Angehörigen müssen in kurzer Zeit reagieren, organisieren und weitreichende Entscheidungen treffen. Nicht selten sinkt dabei die Leistungsfähigkeit. Es ist daher im Sinne von Unternehmen, dass Betroffene schnelle Lösungen finden. Beratungen und Informieren helfen.

Informieren Sie sich zunächst bei Ihrem Arbeitgeber, ob es Unterstützungsangebote für die Pflege von Angehörigen gibt. Zum Beispiel:

  • allgemeine Informationen zu internen und externen Ansprechpartner?
  • Seminare für pflegende Angehörige?
  • Vernetzung mit außerbetrieblichen Ansprechpartner (Sozialstationen, Pflegeheime etc.) und individuelle Beratungsstellen?
  • Rahmenverträge mit Pflegediensten?

Darüber hinaus bieten immer mehr Arbeitgeber sogenannte „Pflegesensible Arbeitsbedingungen“. Sprechen Sie Ihre Personalabteilung darauf an. Zum Beispiel:

  • Thema Arbeitszeiten: fexible Arbeitszeiten, Wahlarbeitszeit, Teilzeit, Arbeitszeitkonten, HomeOffice, Gleitzeit, Altersfreizeit, Telearbeit, Schnupperteilzeit, etc.?
  • Gibt es ein schwarzes Brett, Infoboards, oder Infoblätter?
  • Werden Vorträge, Infopakete, Mitarbeiterzeitschrift, Plakate, Broschüren, etc. bereitgestellt?
  • Können Sie als Arbeitnehmer*in das Angebot eines externen Familienservices in Anspruch nehmen?